Die wahren Gründe für emotionale Belastungen bei Hausverkauf und Umzug
Warum besonders ältere Menschen nicht gerne umziehen – eine psychologische Betrachtung
Geht es um ältere Menschen, die ihr Haus verlassen sollen, trifft man des Öfteren auf vehementen Gegenwind. Das kann zum einen damit zu tun haben, dass die Personen Angst vor Veränderungen haben und nicht wissen, was bei einem Umzug auf sie zukommt. Vielleicht hat es aber auch den Grund, dass sie sich nicht von dem Haus trennen wollen, in dem sie sehr lange gewohnt haben, oder von den Gegenständen und Möbeln, die sie über die Jahre gesammelt haben. Es mag irrational klingen, aber der Gedanke, bestimmte Gegenstände zu verlieren oder ein bestimmtes Lebensumfeld verlassen zu müssen, löst in manchen Menschen frühkindliche Ängste aus. Sie fühlen sich einsam, schutzlos und haben das Gefühl keine Freude mehr empfinden zu können.
Meiner Theorie zur Folge, hat die Intensität, mit der wir uns an Objekten festhalten, mit unserem sozialen Gefüge zu tun. Ein Mensch, der viele soziale Kontakte hat und in Beziehung oder Gemeinschaft lebt, hat vielleicht einen weniger intensiven Bezug zu Dingen, als jemand, der sich oft einsam fühlt und viel Zeit alleine verbringt.
Im höheren Alter beginnt in unserer Kultur eine Lebensphase, in der man hauptsächlich von seinen Erinnerungen lebt. Diese wiederum sind eng verknüpft mit dem eigenen zu Hause und den Gegenständen darin.
Fachliche Betrachtung
Bevor ich beruflich mit dem Immobilienmarkt in Kontakt gekommen bin, habe ich Psychologie studiert und wollte Psychologin werden. Es liegt nahe, dass ich auch als Immobilienmaklerin gerne hinter die Kulissen schaue und mich frage, was die Menschen auf der emotionalen Ebene beschäftigt. Denn oft liegen die Probleme nicht an der Oberfläche und lassen sich nicht mit Fakten und Argumenten wegdiskutieren. Sie liegen tief verborgen in unserer Psyche und verleiten uns zu Entscheidungen, die wir rational nicht erklären können.
Meine Bachelor-Arbeit hatte das Thema „Übergangsobjekte in verschiedenen Lebensphasen“ und da sich dieser psychologische Sachverhalt sehr gut auf Immobilienverkäufe übertragen lässt, möchte ich in diesem Zusammenhang etwas näher darauf eingehen. Vielleicht wird es dadurch einfacher zu verstehen, warum manche Menschen ihr Haus einfach nicht verkaufen können und wollen, auch wenn alle Ihnen dazu raten und der Druck von außen immer größer wird.
Warum wir so sehr an unserem Besitz hängen
Wir leben in einer Konsumgesellschaft und auch wenn der Minimalismus-Trend tendenziell zunimmt, streben die meisten Menschen in ihrem Leben vorrangig nach Besitz. Sie gehen gerne Shoppen, kaufen mehr Kleidung, als sie brauchen und fühlen sich gut, wenn sie etwas Neues ihr Eigentum nennen können. Die Dinge, die wir besitzen, haben einen viel größeren Einfluss auf unser Leben und unser Wohlbefinden, als man üblicherweise annehmen mag. Während meines Studiums habe ich mich gefragt, wo diese Lust am Besitz eigentlich ihren Ursprung hat.
Wenn man etwas tiefer in die Entwicklungspsychologie eintaucht, findet man den Begriff des Übergangsobjektes. Damit wird der erste Gegenstand beschrieben, mit dem ein Kind eine Beziehung aufbaut. Meistens ist das ein Schmuse-Tuch oder der Teddybär.
Direkt nach der Geburt erfährt ein Baby sich in einer absoluten Symbiose mit der Mutter. Es weiß noch nicht, dass es eigenständig existiert und empfindet die Mutter als Teil von sich selbst. Dieses Gefühl verändert sich in den ersten Lebensmonaten und das Kind lernt, dass es ein eigenes Ich hat. Die Mutter wird dadurch immer mehr zum Gegenüber und das Kind erfährt auch, dass es zwischenzeitlich von der Mutter getrennt überleben muss. Nun gibt es die Theorie, dass das Kind, welches sich so sehr nach der Nähe der Mutter sehnt, ein Übergangsobjekt aussucht, dass in den Zeiten der mütterlichen Abwesenheit als Ersatz dienen kann. Das Kind überträgt dabei die positiven Eigenschaften der Mutter auf den Gegenstand. Es denkt z.B.: „Wenn mein Teddy da ist, geht es mir gut, dann fühle ich mich geborgen.“
Die Begrifflichkeit des Übergangsobjektes wird normalerweise nur im Kontext von Kleinkindern genutzt. In meiner Bachelor-Arbeit habe ich versucht, dieses Phänomen auch auf andere Lebensphasen zu übertragen und bin zu dem erstaunlichen Ergebnis gekommen, dass wir bis ins hohe Alter Gegenstände benutzen, um gute Gefühle zu erzeugen und uns zu entspannen.
Das erklärt des einen Sammelleidenschaft und des anderen Kaufzwang. Aber es ist nicht nur die Menge der Sachen, um die es geht, sondern es sind vor allem die Gefühle und Erinnerungen, die wir mit speziellen Dingen verbinden – die Tasse, die man von der besten Freundin geschenkt bekommen hat und der Sportwagen, mit dem man sich unbesiegbar fühlt.
Mitgefühl hilft, damit Angehörige sich verstanden fühlen
Können wir es wirklich verantworten, alten Menschen diesen Halt wegzunehmen und sie zum Umziehen zu zwingen? Wer sorgt dann für Geborgenheit und Zugehörigkeitsgefühle?
Es gibt Studien, die zeigen, dass Menschen, die ihre eigenen Möbel und einige Gegenstände mit ins Altersheim nehmen dürfen, wesentlich glücklicher sind als diejenigen, die in eine gänzlich fremde Umgebung umziehen müssen. Aber das ist nur ein schwacher Trost, wenn man sein geliebtes Haus verliert. Natürlich gibt es auch Gegenargumente. Die viele Arbeit im Haushalt und die Pflege des Gartens sind im Alter oft eine Überforderung.
Und trotzdem: Bleiben sie liebevoll und mitfühlend mit ihren Angehörigen, wenn diese den Hausverkauf und den damit verbundenen Umzug als unzumutbar empfinden. Vielleicht finden sich Alternativen, an die Sie vorher noch nicht gedacht haben. Manchmal hilft schon ein barrierefreier Zugang, ein Treppenlift oder eine neue bodengleiche Dusche, um den Alltag zu erleichtern.
Sollte dringend Geld benötigt werden, kann man ein Haus auch mit Wohnrecht verkaufen. Das heißt, dass man das Haus zu einem günstigeren Preis verkauft, dafür aber lebenslang und mietfrei dort wohnen darf. Es gibt Unternehmen, die dazu sogar einen Hausmeisterservice anbieten.
Informieren Sie sich gut und überlegen Sie, was für alle Beteiligten das Beste ist.
Eine Konfliktberatung kann helfen
Sollten Sie Hilfe in Form einer Beratung brauchen, melden Sie sich gerne bei mir. Ich helfe Ihnen und Ihren Angehörigen eine gute Lösung zu finden.